Synopsis: Vogler, R., & Hennig, S. (2022) [...] (KI-generiert)
Abschlussbedingungen
Synopsis: Vogler, R., & Hennig, S. (2022). Identifying Challenges in Openstreetmap That Potentially Prevent New Users From Contributing: Implications for Addressing OSM in Education. In A. García de la Vega (Ed.), Didactic Strategies and Resources for Innovative Geography Teaching. IGI Global, pp. 144-167.
Zusammenfassung
OpenStreetMap (OSM), die weltweit größte Sammlung von frei zugänglichen Geodaten, leidet unter einer signifikanten demografischen Homogenität ihrer beitragenden Community. Die Daten werden überwiegend von gut ausgebildeten, männlichen Nutzern mittleren Alters aus der westlichen Welt erstellt. Diese einseitige Zusammensetzung führt zu einer Datenverzerrung, bei der die Weltanschauung und die Prioritäten einer begrenzten sozialen Gruppe widergespiegelt werden, was das Potenzial von OSM in Bezug auf Datenvielfalt und -qualität einschränkt.
Um dieser Exklusivität entgegenzuwirken und die Community zu diversifizieren, ist es entscheidend, die Hürden zu identifizieren, die neue und vielfältige Nutzergruppen vom Mitwirken abhalten. Eine empirische Studie, die auf den schriftlichen Reflexionen von 41 Lehramtsstudierenden nach ihrer ersten OSM-Bearbeitung basiert, identifiziert drei zentrale Dimensionen von Barrieren: die Komplexität des Systems, die Nutzererfahrung (User Experience) und die Benutzeroberfläche (User Interface).
Die Ergebnisse zeigen, dass über 90 % der Teilnehmenden auf mindestens eine Herausforderung stießen. Die größte Hürde stellt die Komplexität dar (von 75,6 % der Teilnehmenden genannt), insbesondere die Schwierigkeit, sich die Grundlagen ohne Expertenanleitung anzueignen (53,7 %), und das schwer verständliche Tagging-System (39,0 %). Diese Erkenntnisse unterstreichen die zentrale Bedeutung von Bildungsinitiativen und gezielten Anleitungen, um OSM für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich zu machen und so die Vielfalt und Qualität der Daten nachhaltig zu verbessern.
--------------------------------------------------------------------------------
1. Das Problem der homogenen Community und Datenverzerrung
Obwohl OpenStreetMap als erfolgreichste Anwendung von „Volunteered Geographic Information“ (VGI) gilt und prinzipiell jedem mit Internetzugang die Teilnahme ermöglicht, ist die Basis der Beitragenden keineswegs ein Querschnitt der Gesellschaft. Die Forschung zeigt ein klares und unausgewogenes demografisches Profil der aktiven Community:
• Sozio-strukturelle Homogenität: Die überwältigende Mehrheit der Beitragenden ist männlich, gut ausgebildet (Hochschulabschluss oder höher), im Alter zwischen 20 und 50 Jahren und verfügt über ein stabiles Einkommen.
• Dramatisches Geschlechterungleichgewicht: Der Anteil weiblicher Beitragender in der OSM-Community liegt bei nur 3-4 %.
Diese homogene Zusammensetzung führt zu „unbeabsichtigten Ausschlussmechanismen“ und einer systematischen Verzerrung der erfassten Daten, da die subjektiven Prioritäten und die Weltanschauung einer sehr spezifischen Gruppe die Datenerfassung dominieren. Dies wird als „Self-Focus Bias“ bezeichnet.
Beispiele für Datenverzerrung:
• Fehlende Daten zur Barrierefreiheit: Die Anwendung WheelMap, die auf OSM-Daten basiert, um barrierefreie Orte anzuzeigen, leidet unter großen Datenlücken. Die meisten Objekte sind als „keine Information“ (grau) markiert, da das Thema Barrierefreiheit für die dominante Nutzergruppe keine hohe Priorität hat und entsprechende Informationen (z. B. der Tag „wheelchair=yes/no“) nicht erfasst werden.
• Unausgewogene Kartensymbolik: Im Standard-Renderer von OSM (Mapnik) gibt es eigene Symbole für Cafés, Bars, Pubs und Nachtclubs. Gleichzeitig fehlen Symbole für Einrichtungen wie Schulen (über 1,1 Mio. Einträge), Kindergärten (über 269.000 Einträge) oder soziale Einrichtungen (über 119.000 Einträge), obwohl diese zahlenmäßig stark vertreten sind. Dies spiegelt die Prioritäten der Community wider.
Diese Verzerrungen mindern die Qualität und Vielfalt der Attributdaten und führen dazu, dass OSM hinter seinem eigentlichen Potenzial zurückbleibt. Die Lösung liegt in der Rekrutierung neuer und diverser Nutzergruppen, was die Identifizierung der Einstiegshürden erfordert.
2. Empirische Studie zur Identifizierung von Barrieren für neue Nutzer
Um die konkreten Herausforderungen für OSM-Neulinge zu untersuchen, wurde eine Studie mit 41 Studierenden durchgeführt. Die Ergebnisse basieren auf einer Analyse ihrer Erfahrungsberichte nach der ersten eigenen Bearbeitung in OSM.
2.1 Studiendesign und Methodik
• Teilnehmergruppe: 41 Studierende (25 weiblich, 16 männlich) im Alter von 20-28 Jahren aus dem Lehramtsstudium „Geographie und Wirtschaftskunde“ an der Universität Salzburg. Alle Teilnehmer waren OSM-Neulinge.
• Aufgabenstellung: Die Studierenden erhielten eine kurze Einführung und sollten anschließend selbstständig mindestens eine Bearbeitung in OSM durchführen. Danach verfassten sie einen einseitigen Reflexionsbericht über ihre Erfahrungen mit dem Bearbeitungsprozess.
• Analysemethode: Die 41 Texte wurden mittels Qualitativer Inhaltsanalyse (QCA) nach Mayring ausgewertet. Dieser Ansatz der induktiven Kategorienbildung ermöglichte es, authentische, von den Nutzern selbst formulierte Herausforderungen direkt aus dem Material zu extrahieren, ohne die Antworten durch vordefinierte Fragen zu beeinflussen.
2.2 Kernergebnisse: Drei Dimensionen potenzieller Barrieren
Die Analyse der Berichte ergab, dass 37 der 41 Studierenden (90,3 %) mindestens eine Herausforderung nannten. Insgesamt wurden 22 verschiedene Problemfelder identifiziert, die sich drei Hauptkategorien zuordnen lassen. Die folgende Tabelle zeigt die Kategorien und die Häufigkeit, mit der die jeweiligen Herausforderungen in den Dokumenten erwähnt wurden.
|
Hauptkategorie & untergeordnete Herausforderungen
|
Erwähnt in % aller Dokumente (N=41)
|
|
Herausforderungen durch Komplexität
|
75,6 %
|
|
Schwierigkeiten beim Erwerb der Grundlagen (Hilfe durch Experten/Einführung nötig)
|
53,7 %
|
|
Schwierigkeiten beim Verständnis des Tagging-Systems
|
39,0 %
|
|
Schwierigkeiten beim Erwerb der Grundlagen (zu zeitaufwändig)
|
14,6 %
|
|
Zu viele Details zu Beginn
|
12,2 %
|
|
Schwierigkeiten, den richtigen Tag zu finden
|
4,9 %
|
|
OSM Wiki zu Beginn zu überladen
|
2,4 %
|
|
Herausforderungen durch die User Experience
|
36,6 %
|
|
Langsame Seitennavigation im Bearbeitungsmodus (Performance)
|
12,2 %
|
|
Verwirrung, da Bearbeitungen verzögert erscheinen (Angst, Fehler gemacht zu haben)
|
12,2 %
|
|
Verwirrung, welcher Editor verwendet werden „muss“
|
7,3 %
|
|
Verwirrung beim Abschluss eines Polygons (Doppelklick)
|
2,4 %
|
|
Unsicherheit, ob und wie Bearbeitungen gespeichert werden müssen
|
2,4 %
|
|
Keine Anleitung zum Kartieren gefunden
|
2,4 %
|
|
Registrierung / Account notwendig
|
2,4 %
|
|
Herausforderungen durch die Benutzeroberfläche (User Interface)
|
29,8 %
|
|
Verwirrung, wie der Bearbeitungsmodus beendet wird
|
14,6 %
|
|
Für Anfänger sehr komplizierte Benutzeroberfläche
|
7,3 %
|
|
Verschiedene Layouts sind verwirrend
|
2,4 %
|
|
Hilfeseite öffnet sich nicht in neuem Browser-Tab
|
2,4 %
|
|
Teilweise keine aktuellen Orthofotos
|
2,4 %
|
|
Nicht sehr ansprechendes Design
|
2,4 %
|
|
Zu viele Farben im Kartendesign
|
2,4 %
|
|
Beschriftungen sind schwer zu lesen
|
2,4 %
|
|
Zu viele Beschriftungen in der Karte
|
2,4 %
|
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die wahrgenommene Komplexität die größte Hürde für Einsteiger darstellt. Über die Hälfte der Teilnehmenden betonte die Notwendigkeit einer fachkundigen Einführung, um überhaupt mit OSM arbeiten zu können.
2.3 Geschlechtsspezifische Tendenzen
Obwohl die geringe Stichprobengröße keine statistisch signifikanten Aussagen zulässt, zeigen sich interessante Tendenzen in den Antworten von männlichen und weiblichen Teilnehmern.
|
Kategorie (Auswahl mit deutlichen Unterschieden)
|
Männlich (N=16)
|
Weiblich (N=25)
|
|
Schwierigkeiten beim Erwerb der Grundlagen (Hilfe durch Experten/Einführung nötig)
|
43,75 %
|
60,00 %
|
|
Schwierigkeiten beim Verständnis des Tagging-Systems
|
50,00 %
|
32,00 %
|
|
Herausforderungen durch die Benutzeroberfläche (Gesamtkategorie)
|
56,25 %
|
12,00 %
|
|
Verwirrung, wie der Bearbeitungsmodus beendet wird
|
31,25 %
|
4,00 %
|
Weibliche Studierende äußerten signifikant häufiger das Bedürfnis nach einer Einführung durch Experten. Männliche Studierende hingegen berichteten deutlich öfter über Probleme mit der Benutzeroberfläche und dem Verständnis des Tagging-Systems.
3. Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen
Die Studie liefert empirisch fundierte Einblicke in die Barrieren, die potenzielle neue Nutzer davon abhalten, zu OSM beizutragen. Aus den Ergebnissen lassen sich konkrete Maßnahmen ableiten.
Technische und gestalterische Maßnahmen:
• Anpassungen der Benutzeroberfläche: Viele der identifizierten Probleme im Bereich User Interface und User Experience können durch minimale Anpassungen am Design von OSM und den integrierten Editoren (z.B. iD) behoben werden.
• On-Site-Hilfestellungen: Kleine Pop-ups oder Mouse-over-Tooltips könnten Unsicherheiten proaktiv adressieren, z. B. durch Hinweise zur verzögerten Darstellung von Änderungen oder zum Speichervorgang.
Die zentrale Rolle von Bildung und Anleitung:
• Bekämpfung der Komplexität: Die größte Hürde – die Komplexität des Systems, insbesondere des Tagging-Systems – lässt sich nicht allein durch technische Anpassungen lösen. Der von über der Hälfte der Teilnehmenden geäußerte Bedarf an Anleitung ist der entscheidende Punkt.
• Bedeutung von Bildungsangeboten: Um neue und vielfältige Nutzergruppen zu gewinnen, sind strukturierte Bildungsangebote (Kurse, Online-Tutorials, Präsentationen) unerlässlich. Sie können das notwendige Wissen vermitteln und das öffentliche Bewusstsein für OSM schärfen.
• Schulen und Erwachsenenbildung als Multiplikatoren: Der schulische (Geo-)Unterricht und Initiativen der Erwachsenenbildung stellen ideale Rahmenbedingungen dar, um OSM zu vermitteln und neue Beitragende zu gewinnen.
Pädagogisches Potenzial: Die Auseinandersetzung mit OSM im Bildungskontext dient nicht nur der Rekrutierung neuer Nutzer. Sie bietet auch ein hohes pädagogisches Potenzial, um Grundlagen der digitalen Kartografie und VGI-Mechanismen zu lehren sowie kritisches Denken im Sinne einer „Critical Cartography“ und das Konzept der „Spatial Citizenship“ zu fördern. Die Tatsache, dass die Studienergebnisse von angehenden Lehrkräften stammen, unterstreicht die Relevanz dieser Erkenntnisse für den Bildungsbereich.
Zuletzt geändert: Dienstag, 21. Oktober 2025, 09:09